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Open-Source-Lizenzen und das deutsche Recht

Zusammenfassung:

Die GPL und andere Lizenzen schließen die Haftung des Software-Entwicklers komplett aus. Das ist in Deutschland (und weiten Teilen der EU) nicht zulässig. Da unrichtige AGB von Wettbewerbern abgemahnt werden können, wird es brenzlig, wenn man quelloffenen Software irgendwie kommerziell vertreibt - und das geht schnell.
Ø Lesezeit: ca 4 min.
Inhaltsverzeichnis:
  • Punkt 1: Open-Source-Lizenzen widersprechen in einem Punkt deutschem Recht.
  • Punkt 2: Die GPL ist “ansteckend”
  • Wettbewerb führt zu Abmahnfähigkeit
  • Appendix DE für freie Lizenzen
  • so leicht kann man als Wettbewerber gelten
  • Fazit
  • Bewertung für diese Seite

Punkt 1: Open-Source-Lizenzen widersprechen in einem Punkt deutschem Recht.

In vielen Open-Source-Lizenzen wie z.B. der GPL, der MIT-Lizenz, der Apache-Lizenz usw. gibt es einen Absatz wie diesen (GPL 2.1):

NO WARRANTY 11. BECAUSE THE PROGRAM IS LICENSED FREE OF CHARGE, THERE IS NO WARRANTY FOR THE PROGRAM, TO THE EXTENT PERMITTED BY APPLICABLE LAW. EXCEPT WHEN OTHERWISE STATED IN WRITING THE COPYRIGHT HOLDERS AND/OR OTHER PARTIES PROVIDE THE PROGRAM „AS IS” WITHOUT WARRANTY OF ANY KIND, EITHER EXPRESSED OR IMPLIED, INCLUDING, BUT NOT LIMITED TO, THE IMPLIED WARRANTIES OF MERCHANTABILITY AND FITNESS FOR A PARTICULAR PURPOSE. THE ENTIRE RISK AS TO THE QUALITY AND PERFORMANCE OF THE PROGRAM IS WITH YOU. SHOULD THE PROGRAM PROVE DEFECTIVE, YOU ASSUME THE COST OF ALL NECESSARY SERVICING, REPAIR OR CORRECTION.

Solche Formulierungen entstammen dem US-amerikanischen Recht, wo in AGB ein genereller Haftungsausschluss bei Schenkungen zulässig ist. Anders als in Deutschland: hier kann wegen diverser Normen im BGB z.B. nie die Haftung für Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit oder für Schäden an Leib und Leben ausgeschlossen werden. Die Folge ist: der Haftungsausschluss ist in Deutschland und weiten Teilen der EU komplett unwirksam.
Unwirksame AGB können abgemahnt werden, allerdings nur von einem Wettbewerber, was wiederum einen Wettbewerb voraussetzt. Das aber kann schnell gehen, siehe Absatz 3.

Punkt 2: Die GPL ist „ansteckend”

Nun zwingt die GPL einen Programmierer, wenn er Code unter diese Lizenz stellt, aber eine solche Formulierung auf. Man darf sie auch nicht ändern, weil man die Lizenz weitergeben muss. Was also tun? Einfach eine andere freie Lizenz nehmen? Das geht ebenfalls nicht so leicht, wenn man freie Codeteile unter einer solchen Lizenz verwendet, was völlig gang und gäbe ist.

Einige Lizenzen, insbesondere die GPL 2.1 sind nicht nur „erblich”, sondern sogar „ansteckend” (natürlich untechnisch und wertungsfrei zur verständlichen Darstellung gemeint): wenn man einen Codeteil unter GPL benutzt, dann muss man nicht nur diesen, sondern auch alle anderen Codeteile des Programms unter die GPL stellen. Auch seinen eigenen Code. Diese „Ansteckungs”-Prinzip nennt man „Copyleft”. In der LGPL und GPL v.3 und vielen anderen Lizenzen ist das ein klitzekleinwenig entschärft, aber dennoch vorhanden.

Nun gibt es Situationen, in denen möchte man seinen eigenen Code aber nicht unter die GPL stellen - etwa, weil man seine Software verkaufen will und deshalb den Quellcode geheim hält - sonst könnte ihn ja jeder nachbauen und das Programm selber verkaufen.
So wenig Probleme ein Programmierer hat, die fremden Codeanteile unter deren Lizenzen weiterzureichen, so sehr möchte er auch von seiner Arbeit leben und zumindest seinen eigenen Programmteil verkaufen. Man mag das als Außenstehender nicht Open-Source-gerecht finden. Dennoch sind auch Programmierer auf ihre Brötchen angewiesen und gäbe es ohne kommerzielle Anbieter weniger Software und auch weniger Verbreitung von freiem Code. Fakt ist: die Situation kommt oft genug vor.

Also gibt es drei Varianten: a) auf Copyleft-Software komplett verzichten, b) Copyleft „erben”, aber nicht die Software verkaufen, sondern etwas anders drumherum - z.B. eine Dienstleistung, oder c) alle Teile mit Copyleft in ein eigenes Programm auslagern. Das ausgelagerte Programm stellt man wieder unter GPL, das eigentliche Programm ruft es auf. Auch hier hat die GPL Vorkehrungen getroffen: als eigenständiges Programm zählen nur solche, die in einem eigenen Prozess des Betriebssystems aufgerufen werden, ansonsten steckt es das andere Programm an.

In der Tat finden sich in letzter Zeit vermehrt Bibliotheken, die unter einer anderen Lizenz als GPL stehen, und zwar unter einer ohne Copyleft, wie z.B. der Apache 2.0 - der MIT- oder der BSD-Lizenz. Das führt am Ende zu weiterer Verbreitung der Copyleft-freien Open-Source-Lizenzen.

Wettbewerb führt zu Abmahnfähigkeit

Und nun schließt sich der Kreis:
Wenn man zwei Programme vertreibt: ein kostenpflichtiges und eines unter GPL, dann hat man wegen des kostenpflichtigen Programms automatisch Wettbewerber, und die haben ein Abmahnrecht, auch wegen des GPL-Programms. Denn die meisten freienn Lizenzen sind wie gesagt grundsätzlich abmahnfähig.

Um dem zu vorzubeugen, empfehle ich die Verwendung der GPL-, BSD-, MIT-, Apache 2.0 und anderer freier Lizenzen zusammen mit folgendem „Appendix DE”:

Appendix DE für freie Lizenzen

von Rechtsanwalt Thomas Meier-Bading

„Herausgeber” meint jede Person, die dieses Programm bzw. Programmteil an andere Personen weitergibt. „Verwender” meint jede Person, die dieses Programm bzw. Programmteil verwendet.

Für die Haftung des Herausgebers – gleich aus welchem Rechtsgrund – gelten folgende Regelungen:

Der Herausgeber haftet unbeschränkt bei eigenem Vorsatz und eigener grober Fahrlässigkeit. Bei grober Fahrlässigkeit ist die Haftung im unternehmerischen Verkehr jedoch auf den Ersatz des typischen vorhersehbaren Schadens begrenzt. Im Übrigen haftet der Herausgeber nicht. Die Verjährungsfrist für Ansprüche auf Schadenersatz gegen den Herausgeber beträgt ein Jahr, gerechnet ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn, es sei denn, der Schaden wurde vorsätzlich herbeigeführt. Die vorstehenden Haftungsbeschränkungen und -begrenzungen gelten nicht für Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz sowie bei Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit.

Ist die Haftung des Herausgebers ausgeschlossen oder eingeschränkt, so gilt das Gleiche auch für die Haftung seiner Mitarbeiter, Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen.

Dieser Appendix DE selbst steht unter der Lizenz CC0 und ebenfalls unter Appendix DE. Er kann, aber muss nicht zusammen mit dem Programm an Dritte weitergegeben werden.

Diese Kopplung ist von der GPL gedeckt. Einerseits ausdrücklich in GPL 3 § 7 a), und andererseits ist es dem Entwickler durch die GPL ja nicht verboten, seine eigene Haftung zu erweitern. Natürlich haftet man aus dem Appendix nur für eigenes Verschulden bzw. das seiner Erfüllungsgehilfen. Also: für die Auswahl des fremden Codeteils und für dessen Einbindung nebst dem eigenen Werk.

so leicht kann man als Wettbewerber gelten

Auch wenn man nur GPL-Programme vertreibt, könnte es ganz leicht zu einem Wettbewerbsverhältnis kommen, etwa, weil die kostenlose Webseite durch Werbung des Anbieters finanziert ist, das genügt schon, um in schwierige Fahrwasser kommen zu können.

Fazit

Wer Software unter GPL vertreibt, der meint es gut. Er sollte sich aber haftungstechnisch absichern und seine Tätigkeiten abmahnsicher gestalten.


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